Berlin, 15. November 2019. Albrecht Glaser, stellvertretender Bundessprecher und Mitglied der Arbeitsgruppe Wahlrechtsreform, erklärt:
„Nach heutigen demoskopischen Umfragen würde bei Neuwahlen ein Bundestag mit mehr als 800 Sitzen entstehen. Nach geltendem Bundeswahlrecht beträgt die Sollgröße des Bundestages 598 Mandate. Wegen komplizierter und intransparenter Regeln zu sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandaten, ergab sich nach der Bundestagswahl 2017 eine Mandatszahl von 709 Mandaten. Seit dem Scheitern der Bundeswahlrechts-Reformkommission im Frühjahr 2019, welche das Problem des aufgeblähten Parlaments lösen sollte, sind ernstzunehmende Vorschläge anderer Parteien zur Verhinderung dieser politischen Krise unserer Demokratie nicht in Sicht.
Die AfD hatte bereits in den Kommissionsberatungen ein Wahlrechtsmodell eingebracht, das zu einer Verkleinerung des Bundestages bis zu 450 Abgeordneten führen kann und klare und transparente Wahlrechtsregeln enthält. Unser Lösungsvorschlag war damals abgelehnt worden.
Vor einigen Wochen hatten 100 Staatsrechtslehrer an den Bundestag appelliert, dringend Abhilfe zu schaffen, um die befürchtete Vergrößerung des Bundestages zu verhindern und die demokratischen Defizite des derzeitigen Wahlrechts zu beseitigen. Gestern Nacht hatte der Bundestag sowohl über den AfD-Vorschlag als auch einen Vorschlag von FDP, Grünen und Linken zu beraten und entscheiden. Der Vorschlag der AfD wurde mit den Stimmen aller anderen Parteien abgelehnt.
Wesentlicher Inhalt des Vorschlags von FDP, Linken und Grünen war, die reguläre Mandatszahl von 598 auf 630 zu erhöhen und die Zahl der Direktwahlkreise zu verringern ohne damit die Gesamtzahl der Mandate verkleinern zu wollen. Dieses Konzept führt offensichtlich nicht zu dem gewünschten Erfolg und ist bis März 2020 nicht umsetzbar, da alle Wahlkreise in Deutschland neu geschnitten werden müssten. Da nach geltendem Wahlrecht ab März 2020 innerhalb der Parteien bereits Kandidatenaufstellungen für die Bundestagswahl 2021 möglich sind, muss der vorgelegte Vorschlag als Scheinlösung gewertet werden, welche lediglich dazu dient, anderen die Schuld am Politikversagen in die Schuhe schieben zu können.
Von den Regierungsparteien war konzeptionell überhaupt nichts zu erfahren. Das muss so gedeutet werden, dass CDU/CSU und SPD die von vielen Fachleuten und Bürgern beklagte Vergrößerung des Parlaments bereits in ihre politische Personalplanung einkalkuliert haben.
Dies alles dokumentiert aus Sicht der AfD staatspolitische Verantwortungslosigkeit. Parteipolitische Interessen werden über das öffentliche Wohl gestellt. Die Politikverdrossenheit in Deutschland wird aus guten Gründen steigen.“