Während der letzten Sitzungswoche des Europa-Parlaments gab Bundessprecher Jörg Meuthen der Süddeutschen Zeitung ein Interview. Die AfD nehme die Rolle der Unionsparteien ein, indem sie heute die konservative Politik vertrete, wie sie in früheren Jahrzehnten die CDU an den Tag gelegt habe oder wie die CSU unter Strauß. Aufgabe der Politik sei es, Missstände aufzugreifen. Die AfD beziehe eine klare bürgerliche Position:
„Ich will bürgerliche Mehrheiten haben. Als bürgerliches Lager würde ich Union, FDP und AfD bezeichnen. Wenn sich Teile der CDU uns öffnen, sage ich: Hier beginnt ein Prozess, der intensiver werden wird … Ich glaube, es wäre ein Wert, miteinander statt übereinander zu sprechen. Auf der kommunalen Ebene ist das Kennenlernen ja relativ weit gediehen. Je höher die Ebene, umso größer sind noch die Berührungsängste.“
Meuthen betonte den Willen der AfD, sich dem Werteverlust entgegenzustellen, der seit längerem in Deutschland zu beobachten sei und bekräftigte seine Absage an die ‚links-rot-grün versiffte Republik‘:
„Das ist zu einem geflügelten Wort avanciert, seit ich das in Stuttgart auf dem Parteitag 2016 gesagt habe. Es geht um diesen kompletten Werteverlust aus der Post-68er-Entwicklung. Eine gewollte politische Provokation, und dazu stehe ich.“
Meuthen betonte, dass es bei seiner Feststellung nicht um eine Pauschalverurteilung von Menschen gehe, sondern um die Ergebnisse von gemachter Politik und dem Umgang mit politischen Gegnern:
„Dass Resultate von Politik versifft sind, und wenn ich mir verschiedene Stadtteile anschaue, wie gesagt etwa in Berlin oder in meiner Heimatstadt Essen, dann nenne ich diese Gegend versifft und verkommen, kaputt. Ich finde es weitaus respektloser, wenn mich auf SPD-Parteitagen oder Grünen-Parteitagen Leute als Nazi bezeichnen. Wo ist denn da der Aufschrei?“
Meuthen unterstrich die klare Haltung der AfD gegen jede Form von Antisemitismus und verwahrte sich sich gegen Stigmatisierungsversuche, die AfD in eine fremdenfeindliche Ecke zu stellen. Bezugnehmend auf das Attentat in Halle betonte Meuthen sein Unverständnis über die nicht vorhandenen Sicherheitsvorkehrungen, die den Anschlag auf die Synagoge erst ermöglicht hätten:
„Das war eine zutiefst verstörende Tat eines offensichtlich verwirrten Rechtsextremisten, der einen antisemitischen Terroranschlag vorhatte. Mich hat ziemlich auf die Palme gebracht, dass an Jom Kippur in Halle kein Polizeischutz gewährt wurde. Man weiß doch: An dem Tag sind die Synagogen voll. Jüdisches Leben in Deutschland ist gefährdet, und das ist etwas, was unter keinen Umständen sein darf.“
Dabei erinnerte er an die im Dezember 2019 stattgefundene Bundestagsdebatte, bei der die anderen Parteien nicht bereit waren, dem AfD-Antrag nach einem Verbot der Hisbollah zuzustimmen:
„Wir sind durch und durch pro-jüdisch, wir bringen im Bundestag pro-jüdische Anträge ein – wie zum Beispiel die Forderung nach einem Verbot der Hisbollah, einer antijüdischen Terrororganisation, die die Juden ins Meer treiben möchte. Fragen Sie doch mal die anderen Parteien, warum sie uns da nicht zustimmen!“
In der Frage zur Migration nach Deutschland unterstrich Meuthen, dass von Zuwanderern auch die Bereitschaft zur Integration in unsere Gesellschaft erwartet werden müsse:
„Ein klassisches Thema bei uns ist die Migration. In den Neunzigern fuhr die Union eine sehr restriktive Linie. Dagegen haben wir heute komplett offene Grenzen und lassen jeden rein.
Ich bin in Essen-Holsterhausen groß geworden. Da waren Polen, Türken, Italiener, Portugiesen … Die sind zu weiten Teilen Deutsche geworden, gehen einer geregelten Arbeit nach, befolgen unsere Gesetze, haben sich unseren Lebensgewohnheiten angepasst, so weit, wie man das erwarten kann, wenn man in ein anderes Land kommt. Völlig unproblematisch. Heute haben wir aber Migration von Menschen aus Gegenden, bei denen man wissen kann: Die wollen sich gar nicht assimilieren. Und wenn diese Migration so massenhaft, unkontrolliert und illegal stattfindet, dann verlieren wir unser Land.“
Zugleich warnte Meuthen davor, die Augen vor islamistisch motivierter Gewalt zu verschließen:
„Der Terrorismus in den vergangenen Jahren in Europa hatte nahezu immer islamistischen Hintergrund, mit Ausnahme der fürchterlichen Tat von Breivik. Dem müssen wir doch ins Auge sehen. Haben Sie jemals von jüdischen Clans oder Attentatsplänen gehört? So etwas gibt es eben nicht! Das ist bei einem kleinen Teil der muslimischen Minderheit anders. Wenn 1000 von denen kommen, und einer ist ein Gefährder, ist er ein Problem. Wenn aber eine Million kommen, habe ich nicht einen, sondern tausend Gefährder. Die kann niemand mehr kontrollieren. Ich bin dankbar dafür, wie viele Anschläge die Sicherheitsbehörden bislang verhindern konnten. Und ich bete zu Gott, dass es so bleibt.“