Ach wie schlicht, liebe Leser, ließ sich doch die Türkeikrise in den ersten Stunden dem interessierten Nachrichtenkonsumenten verkaufen. Militärputsch am Bosporus! Ankaras demokratisch gewählte Regierung in Gefahr! Ein herrliches Schreckensszenario in dem man die Guten und die Bösen, wie in einem Hollywood B-Movie,  schon nach den ersten Zeilen benennen konnte. Die westlichen Regierungen handelten entsprechend und verurteilten den Putsch der Offiziere unisono, als hätte in einer Bananenrepublik ein machtgeiler Obrist versucht, den friedlichen Inselfürsten von der Palme zu räumen. Wer sich allerdings auf einen kurzen Diskurs mit der türkischen Geschichte einläßt, wird schnell erkennen, daß die Dinge bei unserem südlichsten NATO-Partner anders liegen.

Man muß nicht die gesamte Historie des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk parat haben, um zu wissen, daß der Gründer der modernen Türkei zwei entscheidende Schritte vollzog, um seinem Land, nach dem völligen Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, eine Zukunftsperspektive zu bieten. Unter dem Motto “Es gibt verschiedene Kulturen, aber nur eine Zivilisation, die europäische” setzte Atatürk auf den Westen und die damit einhergehende Industrialisierung, sowie auf eine strikt laizistische Staatsform,  die den Imamen in den Moscheen jeglichen Einfluß auf die politische Entwicklung verwehrte. Den Garanten dieses Prinzips sah er in den türkischen
Streitkräften, die sich später auch dann einmischten, wenn die demokratische Ordnung des Landes in Gefahr geriet. Die früheren Regierungschefs Bülan Ecevit, Demirel und Erbakan konnten ein Lied davon singen. Sie alle mußten erleben, daß ihnen das Militär im Zweifel die Macht entzog, wenn sie die kemalsche Staatsräson gefährdet sahen.  Für den Westen aber bedeutete diese Politik, daß Europa solange von radikalislamistischen Einflüßen (beginnend mit der iranischen Revolution) verschont bleiben würde, wie die Generale am Bosporus das Erbe Kemal Atatürks bewahren konnten.

So, liebe Leser, und ab jetzt wird die Geschichte leider traurig. Stellen wir uns einmal das vor, was sich Barack Obama, Frau Merkel und Herr Hollande nicht vorstellen können – oder vielleicht gar nicht wollen. Dass es nämlich in der Türkei junge Militärs gibt, die schon seit längerem das Erbe des Staatsgründers gefährdet sehen. Die miterleben mußten, wie die mittelalterlichen Regeln des Koran durch genauso alte Prediger mehr und mehr Verbreitung fanden, ohne daß ihr Regierungschef Recep Tayyip Erdogan einschritt. Ja, daß dieser die Entwicklung sogar noch befeuerte. Ein korrupter Volkstribun, der außenpolitisch gern Teile Syriens anektieren und im eigenen Lande unliebsame Richter absetzen,  Demonstranten niederknüppeln, Journalisten hinter Gitter bringen und nun am liebsten die rebellischen Offiziere hängen lassen würde. Über 8000 Widerständler schmachten schon in Erdogans Kerkern, es wird gerade Platz geschaffen für mehr. Wie man mit ihnen umzugehen gedenkt, zeigen  erste Bilder von der Bosporus-Brücke, auf denen gefangengenommene Soldaten vom wütenden Mob misshandelt werden. Der “Aufstand der Anständigen”, liebe Freunde, und nichts anderes fand in den letzten Tagen statt, war so schnell vorbei, daß man zu Recht nach den Hintergründen fragen muß. Nachdem unsere Regierung,
wie viele andere, all die Rechtsverstöße des Herrn Erdogan hat durchgehen lassen, ihm in der Flüchtlingskrise eine Führungsrolle plus sechs Milliarden Euro zubilligte und man anfangs  laut genug den “Militärputsch” verurteilt hatte, bekommt man nun in Berlin, Paris und Washington langsam kalte Füße, ob der angekündigten Rachepolitik Erdogans. Denn der läßt derweil nicht nur Militärs, sondern, weil man da gleich mal Großreine machen muß, auch ein paar tausend Richter und Staatsanwälte einlochen. Weitere potenzielle Oppositionelle sind längst im Visir. Die Verhaftungslisten sind längst geschrieben. Reicht dies bei Obama, Merkel und Hollande nur für verbale Protestnoten ? Oder hören wir hier nur ein vorgestimmtes Orchester, dessen Tonfolge längst festgelegt war? Stimmt die Version, daß der Coup der Offiziere zumindest mit Washington abgesprochen war?  Stimmt die Information, daß die französische Botschaft in Ankara zwei Tage vor dem coup d`etat ihre Tore schloss und in amerikanischen Internetforen schon seit Wochen über einen Staatsstreich am Bosporus diskutiert wird? Wer die unzähligen Bindungen und Verbindungen in der NATO-Struktur kennt, mag kaum glauben, daß nicht ein putschwilliger türkischer Offizier mit einem allierten “Kameraden” zuvor darüber gesprochen hat.  Wen dem aber so war, dann wußte man womöglich in London, Paris und Berlin längst Bescheid. In Washington ganz sicher. Schlimmer noch die Vorstellung, daß aus einer dieser Hauptstädte die Nachricht an Erdogans Schlapphüte (Schlappfeze gibts ja wohl nicht) frühzeitig gefunkt wurde und diese sich einstellen konnten.  Vielleicht ist also der türkische Präsident bei den westlichen Regierungen beliebter, als das gemeine Euro- und US-Volk glaubt? Hatte er nicht unlängst wieder gegenüber Israel die Hand zur Freundschaft ausgestreckt?  Ein Fakt der am Potomac wohlwollend registriert wurde. Zudem hat der neue Großmogul syrischen Flüchtlingen die türkische Staatsangehörigkeit angeboten. Bei dem von ihm erträumten Territorialgewinn in Syrien (den die türkische Armee nicht will) hätte das den Nutzen, daß keine Dokumente mehr umgeschrieben werden müßen und vor allem, die Grenze zu Israel endlich sicher wäre. Angela Merkel hätte den Umsturz ansich begrüßen müßen, wäre doch mit den Militärs die euroasiatische Migrantenbrücke am Bosporus geschlossen worden. Wenn aber die böse Prophezeiung von einem gewollten Zuzug stimmt, dann muß man genauso reagieren, wie die deutsche Kanzlerin reagiert hat. Muß man sich also schlußendlich vorstellen, daß der Westen hier im heimlichen Pakt mit Erdogan die opferbereiten Soldaten bewußt in eine Falle gelockt hat? (Und die nächste Falle für Herrn Putin schon Gestalt annimmt?)

An dieser Stelle, liebe Freunde, bitte ich Sie einen Moment innezuhalten und das zu tun, was nach jedem Terroranschlag in allen westlichen Hauptstädten schon gebetsmühlenartig praktiziert wird, anstatt das Übel endlich an der Wurzel zu packen und ernsthaft zu bekämpfen. Wir wollen ganz still der mutigen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften gedenken, die für eine gute Sache schon ihr Leben ließen (über 300 Opfer) oder die jetzt in den Kerkern Erdogans leiden müßen und einem ungewissen Schicksal entgegensehen. Wir denken an sie und ihre Familien.

Fakt ist, durch die Untätigkeit des Westens und seine mangelnde oder nicht gewollte Abwehrbereitschaft läuft Europa Gefahr, an seiner südöstlichen Grenze eine religiös untermauerte Eroberungsbereitschaft gefördert zu haben, die den Kontinent in seinen Grundfesten bedroht. Schon einmal hat der Westen die letzten Verteidiger europäischer Werte am Bosporus schändlich fallen lassen. Damals, 1453, waren es sogar die oströmischen Brüder im Glauben. Jetzt erleben wir den zweiten Fall Konstantinopels. Mit dem Fall Ostroms begann ein zweihundertjähtiger Ansturm der Muselmanen auf das christliche Europa. Erst vor Wien konnten sie 1683 gestoppt werden.
Thor, Mars, Teutates (wir können jeden gebrauchen) und vor allem Du lieber Gott – schickt uns einen Prinzen Eugen!!!

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